Die Berechnung mit Hilfe von Sichtungen oder nur auf Grundlage von Sichtungen?

Ob Berechnungen oder ausschließlich Sichtungen eine gültige Gebetszeit bestimmen ist eine Frage welche in den Zuständigkeitsbereich der islamischen Gelehrten fällt und hier nicht beantwortet werden kann. Was wir hier beantworten können sind einige Fragen zu den Vor- und Nachteilen der beiden Meinungen.

Beginnen wir mit der Bestimmung ausschließlich basierend auf Sichtung. Erstmal klingt es sehr einfach, denn man muss nur einen Ort finden, an dem man den Horizont beobachten kann. Von diesem Ort muss dann z.B. der Fadschr beobachtet und über die aktuelle Gebetszeit informiert werden. Das müsste dann für jedes Dorf und jede Stadt in welcher Muslime leben sind, so durchgeführt werden. Da diese Methode jedoch einer starken Beeinflussung durch Lichtverschmutzung unterliegt , weichen die Gebetszeiten von jedem Ort stark voneinander ab. So würde die Ortschaft welche neben einer hell erleuchteten Industrieanlage liegt ca 30 Minuten später beten als die Ortschaft in einer 3 km-Entfernung, welche nicht so viel künstliches Licht am Horizont hat. Auch würde die Gebetszeit kurzzeitig bzw. etwas verfrüht eintreten wenn der Strom ausfallen würde. Somit wäre der Mensch in der Lage die Gebetszeiten mit seinem künstlichen Licht zu manipulieren. Wer dieser Meinung folgt, müsste dem dann allerdings auch zustimmen. Fälle in denen Gebetskalender durch Sichtungen erstellt wurden sind aus Deutschland bis heute nicht bekannt. Einer ordentlichen Erstellung eines solchen Kalenders müssten Langzeitbeobachtungen vorangehen welche wöchentlich und eventuell mehrmals wöchentlich die Zeiten dokumentieren.

Die andere Meinung ist, dass wir die Gebetszeit mit Werten berechnen welche durch Beobachtungen bestimmt wurden. Die Muslime können die Gebetszeit anhand des Sonnenwinkels seit ca. 1000 Jahren berechnen. So sagte ibn Schatir, der oberste Mawaqit der Umayyaden-Moschee in Damaskus im Jahre 777 n.H.: “Was die Zeit des Morgengebets betrifft, so ist es bei Tagesanbruch, und wenn man das weiß, muss man den Nadir auf den achtzehnten Bogen aus der Richtung des Maghrib platzieren”. Auch westliche Quellen wie der New American Practical Navigator von 1802 berichten vom Winkel der Dämmerung: “Mit der vorangegangen Methode kannst du den Beginn oder das Ende der Dämmerung bestimmen in dem du die Stunde berechnest wenn die Zenitdistanz der Sonne 108 Grad beträgt (oder wenn die Sonne 18 Grad unter dem Horizont ist); denn durch Beobachtung wurde herausgefunden, dass die Dämmerung beginnt oder endet wenn die Sonne in dieser Distanz zum Zenit steht.” Dass ist lange bevor die Wissenschaft die Dämmerungsphasen in Kategorien festgelegt hat. Die Aussagen der islamischen Astronomen und Gelehrten aus der Geschichte sowie der Wissenschaft sind zahlreich und können von jedem selbst recherchiert werden. Dass die Muslime sich heute nicht mehr einig sind welcher der richtige Winkel ist, ist auf mehrere Gründe zurückzuführen. Zum einen sind die meisten Länder heute zu hell um die anfangs sehr schwache Dämmerung noch zu erkennen, was das Problem mit einschließt dass Sichtungen an Orten und von Personen durchgeführt werden die dafür nicht qualifiziert sind. Zum anderen werden auf Grund von Interpretationen einiger astronomischer Texte Aussagen gefällt, ohne tatsächlich jemals eine Sichtung durchgeführt zu haben. Und es gibt auch Leute die sagen, dass wir beim Winkel nur der Sichtung folgen, ohne künstliches Licht zu berücksichtigen. Bei ihnen tuen sich die gleichen Probleme auf, welche im vorherigen Absatz schon erwähnt wurden. Damit kann es keine Gradzahl geben die für alle Orte gültig wäre und man müsste für jedes Dorf und jede Stadt eine andere Gradzahl durch Beobachtung festlegen, womit man am ende dann eigentlich wieder der anderen Meinung angehört. Man dürfte nach dieser Meinung nicht mehr sagen, der Winkel von Fajr ist so und so, sondern lediglich, in unserem Ort ist der Winkel so und so. Wenn wir also die Meinung haben, dass wir das künstliche Licht berücksichtigen und als Grundlage für den Beginn der Dämmerung das erste Licht nehmen, welches sichtbar wird wenn kein anderes elektrisches Licht vorhanden ist, so muss man zu den Werten der alten Astronomen und der Wissenschaft zurückkehren. Denn es gab niemanden der sagte, dass das erste Licht der Dämmerung bei einem Winkel vorhanden ist der niedriger ist als 18 Grad. Wer das behauptet, der muss der anderen Meinung angehören und darf unter umständen gar keine Gradzahlen vertreten. Somit kann man sagen, dass die richtige Gradzahl für den Fajr bei 18 liegt und der Fajr in Gebieten ohne elektrisches Licht zu ca. dieser Gradzahl gesehen werden kann. Also kann der Fajr für jeden Ort der Welt mit diesem Winkel berechnet werden und das ist die Meinung der meisten Gelehrten und Astronomen in der islamischen Geschichte.