Warum gibt es so viele verschiedene Gebetszeiten-Methoden?
Eine Frage der Kompetenz
Die meisten Muslime vertrauen den Gebetszeiten ihrer lokalen Moscheen. Auch wenn die verschiedenen Moscheen auf ihrer Straße die Gebets- und Fastenzeiten unterschiedlich festgelegt haben. Denn die Imame müssen sich dabei schon etwas gedacht haben! Wer sich jedoch auf die Suche nach Antworten macht, trifft schnell auf eine Wand des Schweigens. Man stellt schnell fest, dass die Verantwortung für die Gebetszeiten auf andere Personen und Stellen geschoben wird. Konkrete Antworten, wie die Gebetszeiten berechnet werden, bekommen die wenigsten. Die Meisten Moscheen sind darin also nicht wissender als der Muslim der diese besucht.
Wir müssen uns die Frage stellen, woran es liegt, dass wir keine Antworten bekommen. Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Die Berechnung der Gebetszeiten und deren Methoden sind ein komplexes Thema, welches nur Astronomen und dafür qualifizierte Gelehrte verstehen können. Imame und Vorstände von Moscheen haben bis auf wenige Ausnahmen nicht die fachlichen Fähigkeiten, diese Themen zu behandeln. Es ist die Aufgabe eines Muwaqqid die Gebetszeiten zu berechnen und die korrekten Methoden für einen Ort festzulegen. Leider ist dieses Wissen heute sogar unter Gelehrten nicht mehr weit verbreitet, denn der Muwaqqid war meist ein Gelehrter, Astronom, Mathematiker, und Gerätebauer. Er beobachtete, berechnete und nutzte seine Fähigkeiten für die Bestimmung der korrekten Gebetszeiten. Heutzutage würde diese Arbeit meist einem Ministerium oder Universitäten zukommen, welche Astronomen und Gelehrte für diese Arbeit beschäftigen.
Aber woher kommen die Berechnungsmethoden?
Einige der Methoden stammen von vertrauenswürdigen Organisationen mit fachlichen Kompetenzen und basieren hauptsächlich auf den Methoden, welche die Muslime seit hunderten von Jahren nutzen. Es gibt jedoch auch Methoden, die nicht Fachkundige Muslime entwickelt haben. Meistens beruhen diese auf falschen Annahmen und falschen Beobachtungen. So sind einige auf die Idee gekommen, die Dämmerung des Fadschr in einer Region zu beobachten, welche durch das künstliche Licht dafür nicht geeignet ist. Tatsächlich gibt es diese unbesiedelten Regionen in Europa höchstens noch im Norden von Skandinavien. Diese Beobachtungen haben den Eindruck erweckt, dass der Fadschr 30 Minuten oder 1 Stunde später eintreten würde. Mit diesen falschen Annahmen beten heute in Europa Millionen von Muslime.
Warum die Tendenz zu falschen Gebetszeiten in Europa?
Wer aus einem muslimischen Land kommt, der weiß, dass der Adhan und die Gebetszeiten in einer Stadt in der Regel nicht abweichen. Die Gebetszeiten werden von der Bevölkerung allgemein als richtig anerkannt. Die Zeiten in diesen Ländern sind zu moderaten Zeiten und lassen sich einfach in den Alltag integrieren. Es besteht also kein Grund, diese in Frage zu stellen. Anders im Norden, durch die geografische Lage sind die Sommernächte viel kürzer und damit der Fadschr viel früher und der Ischaa viel später. Dies bringt für viele Probleme mit sich. Denn, wenn der Ischaa nicht wie in Nordafrika um 20:40 sondern um 00:14 verrichtet werden muss, dann stellt dies eine Erschwernis dar, die man gerne zu umgehen versucht. Somit gibt es eine Tendenz, die Methoden so zu ändern, dass die Gebetszeit z.B. auf 23:00 festgelegt wird, obwohl die echte Dämmerung erst um 00:14 eintritt. Dies ist jedoch nicht korrekt. Wir können uns die Sonne nicht einfach wegdenken und davon ausgehen, dass es schon irgendwie angenommen wird. Der Islam möchte keine erschwernis für den Menschen. So gibt es andere Möglichkeiten der Erleichterung, wie das Zusammenlegen des Maghreb und des Ischaa. Wir sagen also nicht das der Ischaa wie im Beispiel fälschlicherweise um 23:00 ist, sondern wir sagen der Ischaa ist um 00:14 aber wir können in bestimmten fällen wie in der Sunnah überliefert den Ischaa direkt hinter dem Maghreb beten und die Sunnahgebete beider Gebete danach beten. Somit kann jeder selbst entscheiden, wozu er in der Lage ist, denn für den einen ist es eine Erschwernis und für den anderen nicht.
Die Gebetszeiten im Winter
Einige haben vielleicht schon festgestellt, dass die Gebetszeiten im Winter weniger voneinander abweichen oder gar identisch sind. Die Zeiten im Winter sind im Norden noch einfacher als im Süden. So kann der Maghreb im Winter bereits um 16:50 eintreffen, wo er in Nordafrika erst um 18:30 eintrifft. Hier ist die Erschwernis eher, dass die Gebete in so kurzen Abständen aufeinander folgen, da die Tage kürzer werden. Hier gibt es keine Tendenz und nutzen, die Zeiten zu verschieben. Aber trotzdem benutzen leider einige Moscheen Methoden, welche die Zeit so wie im Sommer verändern.
Die Gebetszeiten im Sommer
Im Sommer, wenn die Sonne nicht mehr ganz untergeht oder die Dämmerung nicht mehr beendet wird, gibt es verschiedene Methoden, welche eine künstliche Fadschr- und Ischaazeit berechnen. In dieser Zeit kann man nicht von eindeutig falschen oder richtigen Methoden sprechen. Wenn die Phänomene, welche den Fadschr oder Ischaa bestimmen, verschwinden, müssen wir mathematische Methoden heranziehen, um die Zeiten künstlich zu erstellen. Zu den Möglichkeiten gehört z.B. die Gebetszeiten von einem Ort im Süden zu verwenden, wo die Gebetszeiten das ganze Jahr über berechnet werden können. Es können auch andere mathematische Werkzeuge verwendet werden, um eine Zeit zu berechnen. Diese können wir hier aber nicht behandeln, da dieses Thema einen neuen Artikel wert ist. Was wir jedoch sagen können ist, dass einige Methoden korrekter als andere sind. Wenn z.B. bekannt ist, dass der Zeitraum zwischen Fadschr und dem Sonnenaufgang immer länger ist als die Zeit zwischen dem Sonnenuntergang und Ischaa, dann sollte sich dies auch in der künstlichen Zeit widerspiegeln. Leider tun dies nicht alle Methoden, diese Methoden können eher als mathematische Konstrukte bezeichnet werden.
Die Gebetszeiten im Frühling und Herbst
Da die Gebetszeiten im Winter und Sommer mit unterschiedlichen Regeln berechnet werden, kommt es an einem Tag im Frühling und an einem Tag im Herbst zum Wechsel der Methode und somit zu unterschiedlichen Gebetszeiten von einem auf den anderen Tag. Wenn also die Gebetszeit nach dem Phänomen welches den Fadschr oder Ischaa bestimmen nicht mehr berechnet werden kann, da es verschwindet, fällt man auf eine künstliche Methode zurück. Um diesen Sprung in den Gebetszeiten zu verschleiern, fügen die meisten Methoden Pufferminuten ein. Beispiel: Der Fadschr ist am 21. April um 01:24 und tritt am nächsten Tag nicht mehr ein. Wenn also am 22. April der Fadschr nicht mehr berechnet werden kann, wird eine künstliche Zeit von z.B. 03:14 eingefügt. Damit die Zeit von einem zum anderen Tag nicht von 01:24 auf 03:14 springt, beginnt man bereits ca 1-2 Wochen vorher künstlich z.B. jeden Tag 5 Minuten auf den Fadschr zu addieren, so dass die Zeit am 21. April 03:09 ist und der Übergang der Methoden zueinander verschleiert wird. Das Problem darin liegt, dass der echte Fadschr noch existiert und künstlich abgeändert wird. Problematisch wird dies bei den Fastenzeiten, da wir nach der Methode noch 1 Stunde nach dem Fadschr essen würden. Ob dies gültig sein wird, kann ich nicht beantworten. Es gibt aber Fatwas, welche dies als ungültig zurückweisen. Denn der Fadschr muss zu der Zeit angesetzt werden, zu welcher er am Himmel sichtbar sein wird. Wenn also einige gesagt haben: "Auch wenn wir den Fadschr sehen, er ist uns trotzdem zu früh“ dann sollte man dem folgen was sicherer ist und mit dem gewissen besser zu vereinbaren ist.